Hörbeispiele aus dem Landkreis Kelheim

Seit März 2015 veröffentlicht die überregionale Klavierstimmerei Praeludio® auf einer eigenen Seite Hörbeispiele von Klavierstimmungen aus dem Landkreis Kelheim. Die Audiodateien sind ausgelagert. Wenn Sie auf ein Hörbeispiel klicken, öffnet sich die neue Seite hearthis.at/praeludio

Das Klavier hat eine Seele

Steudtner Klavier verstimmt Steudtner Klavier gestimmt

Sie hören die Aufnahmen vor und nach der Stimmung eines Klaviers der Marke Steudtner. Das Klavier wurde in der Ersten Piano-Fabrik Chemnitz gebaut und stand bis vor kurzem in Leipzig. Aufgrund der immer währenden Veränderungen des Lebens suchten die Besitzer für eines ihrer Pianos einen neuen Besitzer. Sie wollten wissen, wo ihr Klavier hinkommt und wer es in Zukunft spielt. Ein Zufall brachte die richtigen Menschen zusammen und so gelangte das Klavier nach Bayern in den Landkreis Kelheim. Die neuen Besitzer hatten das Glück, dass Ihre Wahl auf die Klavierstimmerei Praeludio® fiel. Denn nun wissen sie umfassend über das Innenleben ihres Klaviers Bescheid.

Im Gegenzug erfuhr der Klavierservice von der Klavierspielerin, dass diese zwar in jungen Jahren am Klavier ausgebildet worden ist, aber heute von sich sagt, dass sie nur nach Gehör spielen könne, nicht mehr nach Noten. Noten würden ihr einfach nicht so liegen. Das interessiert mich natürlich sehr, da ich aus vielen Gesprächen mit meinen Kunden weiß, dass dieses Muster gar nicht selten ist. Dazu kann ich einige Tipps geben, da nämlich die unterschiedlichen Lerntypen heute durch die Möglichkeiten der neuen Medien das richtige Lernmaterial angeboten bekommen:

  • Zahlreiche Klavierspieler berichten, dass sie sich Stücke bei Youtube über Lehrvideos erarbeitet hätten.
  • Es gibt immer mehr Notenhefte mit einer CD der Stücke aus dem Heft, die den Zugang zur Musik über das Gehör fördern und unterstützen.
  • Die Musiksoftware leistet diesbezüglich die Anpassung des Abspieltempos der zu lernenden Stücke. So gibt es im Rahmen der so genannten Leuchttasten-Pädagogik die Möglichkeit, das Abspieltempo des Stücks der eigenen Lern- und Verarbeitungsgeschwindigkeit anzupassen.

Dass man sich lediglich über das Gehör selbst anspruchsvollere Werke der Klassik nicht nur erarbeiten, sondern auch bis zur Konzertreife entwickeln und stabilisieren kann, zeigt das mögliche Spektrum auf. Musik lernen ohne Noten ist alles andere als eine Utopie. Doch um diesen Schatz zu heben, braucht es Betroffene, die Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen gewähren. Mir hat einmal die Konzertpianistin Dr. Henriette Gärtner davon erzählt, dass sie erst mit 12 Jahren Noten lesen gelernt hat. Dazu muss man wissen, dass ein wesentliches Highlight der Vita Henriette Gärtners darin besteht, dass sie nicht nur bereits mit 3 Jahren begonnen hat, Klavier spielen zu lernen, sondern dass sie schon mit 5 Jahren ihr erstes öffentliches Konzert gespielt hat. Wie man auf ihrer Homepage www.henriette-gaertner.com/vita.html lesen kann, spielte sie im Rahmen der Internationalen Musikwochen Luzern mit den Festivals Strings Lucern. Doch da Henriette Gärtner als Konzertpianistin in der Meisterklasse spielt und somit eine Vertreterin der Live-Reproduktionsmusik ist, werden ihre Erfahrungen, wie man sich klassische Werke ohne Noten so aneignet, dass man sie anschließend selbst unter dem Druck des Auftritts vor Publikum wiedergeben kann, vermutlich ihr Geheimnis bleiben.

Letztendlich unterstützen die Technologien der neuen Medien den Selbstlerner. Von dieser Kategorie habe ich schon zahlreiche Kunden erlebt, und mich von deren erstaunlichen Ergebnissen beeindrucken lassen. Bei der Gelegenheit ermutige ich die Selbstlerner immer wieder dazu, ihren persönlichen Lernweg mittels Tagebuch zu dokumentieren. Das Thema Lernen ist einfach zu wichtig, als dass man es Institutionen oder der Wissenschaft überlassen darf. Es mag auf den ersten Blick verwundern, aber es ist nicht gesichert, dass das dort gefundene Wissen bei uns Menschen ankommt. Aktuell gelangt es eher in die Entwicklung von selbstlernfähigen Robotern als in unsere Kindergärten und Schulen.

Selbstlerner sind meiner Ansicht nach die Vorboten der sich bereits ereignenden Veränderungen. Im Bildungsbereich wird aus dem Lehrer als Wissensvermittler ein Begleiter, Motivator und Interessen-Erwecker. MOOC (Massive Open Online Course) ist eine weitere Erscheinung der sich rasant und positiv entwickelnden Bildungslandschaft. Anstatt wie bislang über Qualifikationen im Wesentlichen von Wissen auszuschließen, wird nun das Wissen für jedermann online zugänglich gemacht. In diesem Geist verändert sich bereits die Wissens- und Könnensvermittlung innerhalb der Musik, wie die von mir oben genannten Beispiele zeigen.

Alle Klavier spielenden Unikate mit Vorstellungen, Ideen, Ansichten und/oder Verhaltensweisen, die vom Massenmarkt abweichen, muss man in ihrem So-Sein als besonders wertvoll bestätigen. Diese Denkweise ist dem Gegenteil unseres derzeitigen Bildungswesens verpflichtet, nämlich anstelle der Gleichheit den Unterschied, die Einmaligkeit des Individuums anzustreben und wertzuschätzen. Das ist die Grundlage, um anschließend in einem konstruktiven Miteinander den Irrsinn einer Gesellschaft überwinden zu können, die dem Primat der Konkurrenz folgt. Wer also die Tendenz verspürt, lieber zu improvisieren, anstatt das immer Gleiche zu reproduzieren, dem kann man sagen, dass er jene Kunstform pflegt, die zur Zeit von Johann Sebastian Bach und somit eben unter den klassisch geprägten Musikern noch weit verbreitet war. Erst in den letzten Jahrhunderten verkümmerte die hohe Kunst der Improvisation zur Interpretation. Häufig klagen die auf dem allgemein üblichen Lehrweg ausgebildeten Musiker darüber, dass sie zwar schon anspruchsvolle Stücke spielen könnten, aber ohne die Vorgabe von Noten aufgeschmissen wären. Das Bewusstsein über die Unfähigkeit, Musik als Sprache der Gefühle umfassend gestalten zu können, empfinden diese Menschen als Manko. Waren vor 300 Jahren die Kompositionen am Anfang und Ende noch für die Improvisation durch den vortragenden Musiker offen, so wurden die Werke in der folgenden Zeit immer exakter festgeschrieben. Das heißt, der Spielraum für die Gestaltung wurde immer enger. Längst ist es an der Zeit, die Spielräume wieder zu öffnen, Kreativität zu fördern. Nur wenn die Musik einen zeitgemäßen Beitrag fürs Leben und Überleben leisten kann, kann sie einen Mehrwert generieren. Neben der Entspannung sind die typischen Leistungsbereiche der Musik die Förderung von Kreativität und Gestaltungsfähigkeit. Und selbst wer sich auf die Reproduktion der Werke der Musikgenies der vergangenen Jahrhunderte konzentriert, kann im Sinne einer Lebensschule aus einem reichen Fundus schöpfen, der bislang vom klassischen Musikunterricht kaum bedient wird:

  • Stress-Training z.B. zur Bewältigung der Angst vor öffentlichen Auftritten
  • Anleitung zur Selbstharmonisierung am Piano anstatt ständig Neues lernen zu müssen
  • Erfolgserlebnisse vermitteln, um eine starke Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Das Gegenteil war ein Musikunterricht, bei dem es bei jedem Fehler Schläge auf die Finger gab!
  • Umgang mit den neuen Medien als eine praktische Medienkompetenz in Verbindung mit der Entfaltung der eigenen Potenziale im Bereich der Musik
  • Ausdrucksstark und somit emotional spielen als ein frühes Ziel des Unterrichts, um nicht erst nach Jahren der Technikübungen zum Wesentlichen der Musik zu gelangen
  • Für Erwachsene über die Musik einen Wiedereinstieg in ein erfolgreiches und lustvolles Lernen zu ermöglichen
  • Jugendlichen in der Pubertät in Form eines Musikalischen Tagebuchs eine Anleitung zur Auseinandersetzung mit der für sie neuen Welt der Gefühle an die Hand geben
  • Im Alter durch das Musizieren den Abbau des Motorischen Zentrums verlangsamen und somit länger die Kompetenz zum eigenständigen Leben bewahren
  • ...
  • Die Herausforderung an die Musikpädagogik schlechthin: Die längst überfällige Aufgabe besteht darin, den Zugang zum KlavierSpiel nicht nur als ein exklusives Unterrichtsmodell, sondern als Standard mittels einer entsprechend spielerischen Methodik zu ermöglichen. Denn bislang ist der Ausdruck Klavier spielen ein leeres Versprechen, mit dem immer wieder neue Anfänger zu einem Fingertechniktraining auf absehbare Zeit verführt werden, hinter dem die unausgesprochene Erwartung steht, am Ziel angekommen von den Schwingungen der selbst gespielten Musik in die Höhen der individuell-emotionalen Erlebniswelt getragen zu werden. Dass der lange Umweg über quasi nie endende Technikübungen in diesem Sinne nicht unbedingt zielführend ist, wird einem in der Regel erst nach längerer Zeit bewusst. Zahlreiche Gründe verhindern die frühe Einsicht. Unter anderem wird man von Meistern der Musik durch deren Können beeindruckt und meint, es ihnen mit entsprechenden Einsatz gleich tun zu können. Vermutlich haben Sie schon einmal von dem Teufelsgeiger Niccolò Paganini gehört, der ja das Vorbild für den Klaviervirtuosen Franz Liszt war. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Paganini extrem spreizbare Finger gehabt haben soll, die sein außergewöhnliches Spiel ermöglichten. Doch das kann ich nicht belegen. Aber jetzt habe ich in dem Buch Warum wir uns Gefühle kaufen von Christian Mikunda (Econ Verlag, Ausgabe 2009) auf Seite 157 gelesen, dass Paganini seine wertvolle Geige umbauen ließ, um schneller greifen, klangvoller spielen und spezielle Spieltechniken wie das Doppelflageolett einsetzen zu können. Eine detaillierte Beschreibung und die Folgen für Spielart und Klang findet man direkt auf Seite über Paganini bei Wikipedia im Kapitel Paganinis Instrumente. Weitere Einblicke in die trickreichen Veränderungen Paganinis an seinen Geigen, die Auswirkung auf die Spielart und damit verbunden auf seine Bühnen-Performance lesen Sie im Kapitel Paganinis Spielweise. Über vergleichbare Eingriffe in das Spielwerk der Konzertflügel zugunsten besonderer Leistungen der Pianisten findet man bei Wikipedia über den berühmtesten Konzertstimmer und Autor Franz Mohr aufschlussreiche Informationen (niedriges Spielgewicht, bewusst fehlerhafte Regulierung, so genanntes Trommeln). Sicher waren die Stars der Bühne sehr fleißig. Aber sie waren ebenso raffiniert und bereit, Grenzen zu überschreiten, um ihre von uns als sensationell empfundenen Leistungen zu ermöglichen. Der Einsatz an Know-how des Fachmanns hinter dem Künstler sowie einer angepassten Hardware entlarvt den Charakter des schier Übermenschlichen derartiger Performance. Im Gegensatz zu der Methode Klavier arbeiten ist die in der Wortkombination Klavier spielen enthaltene spielerische Didaktik nicht einmal ansatzweise ausgereizt. Sie entspricht aber dem Menschen weitaus mehr als der Versuch, vom lern- und gefühlsfähigen Mensch mittels Trainingsmethoden aus dem Hochleistungsbereich zu einem zwar lebendigen aber verdächtig fehlerlosen Wunderwerk der Spieltechnik zu mutieren. Das Vorbild für diese Denk- und Handlungsweise ist seit den Anfängen des Industriezeitalters die Maschine. Aber die Maschine war zumindest bis vor kurzem nicht lernfähig und so mussten die Maschinenbauer und die Vertreter des Transfers der Mechanismen und Muster aus der Maschinenwelt auf das Individuum sowie die Gesellschaft zwangsläufig fehlerfeindlich sein. Aus dem Blickwinkel des Lernens ist das eine Katastrophe, denn für uns Menschen ist ein Fehler kein unlösbares Problem, sondern ein genau genommen unvermeidbarer Baustein eines lebendigen Lernprozesses. Verbietet man den Fehler, so verhindert man ein natürliches und leichtes Lernen. Da sich dieses Szenario aber mit den bereits oben erwähnten selbstlernfähigen Robotern gerade ändert, ist es höchste Zeit, die Menschen von einem nicht zu gewinnenden Wettlauf mit der Maschine zu befreien, und ihnen Alternativen zum eigentlichen Ziel aufzuzeigen. Das Ziel lautet: Ein Musikwerkzeug lernen, um seine Gefühle über die Musik ausdrücken zu können. Dabei ist heute der Einsatz zusätzlicher Technik durchaus erlaubt. Aber nicht mehr als ein heimlicher Zauber-Trick, sondern als Mehr-Wert-Eigenschaften der aktuellen Musikinstrumente, die nicht mehr wie oben angedeutet in erster Linie den Selbstlernern zu Gute kommen, wenn sie erst einmal Eingang in den normalen Klavierunterricht finden, in dem uns Lehrer in ihren neuen Funktionen als wissende Scouts beim Erkunden von Erfahrungsspielräumen anleiten, beziehungsweise als einfühlsame Coaches bei unseren Lernprozessen begleiten.
Zum Seitenanfang